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Ein bisschen künftig auch Radhaus: Das Rathaus hat bisher wenig für die Verkehrswende getan.
Foto: Kappelt

Daumen runter: Wiki Stade gibt im Öko-Check der Ratspolitik ein glattes Mangelhaft. Seit Jahren sind Radfahrer die missachteten Verkehrsteilnehmer, die Autofahrer die Lieblinge der Stader Lokalpolitik. 
Vorschläge, die Radwege zu verbessern, stießen im Rathaus auf wenig Gegenliebe, ärgert sich Ilse von Lacroix, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Stade. Doch die Wende zu mehr Radverkehr könnte klappen. Zumindest langfristig. Noch bewegen die Verantwortlichen im Rathaus eher Papier, statt zur Tat zu schreiten. Staub liegt auf einem über zwanzig Jahre alten Konzept der Stadt. Die Fahrrad-Initiative Stade um Christian Ückert hat aktuell eine umfangreiche Analyse des Fahrradnetzes vorgelegt, die bei Ratsmitgliedern großes Interesse findet.

HartlefViele Millionen braucht Bürgermeister Sönke Hartlef, um Stade zu einer attraktiven Fahrradstadt zu machen. Foto: KappeltIn Riensförde wächst die Siedlung am Stadtrand weiter. Von heute über tausend Leuten sollen am Ende rund 3000 Menschen dort leben. Der meiste Verkehr geht bevorzugt mit dem Auto über die Harsefelder Straße. Der tägliche Stau ist unausweichlich. Ausgerechnet am Stadtrand entsteht eine zentrale Schule samt Kindergarten, der Bildungscampus Riensförde mit 1500 Kindern und Pädagogen.

Wie die Schüler dahin kommen, wurde nicht gleich bedacht, sagt Bürgermeister Sönke Hartlef im Wiki-Gespräch. Die Harsefelder Straße muss daher fit für die Radler gemacht werden. An vielen Stellen wird's zu eng. Hinter der Bundesstraßenbrücke hört der eine Radweg auf. Die Brücke ist zu schmal. Ein weiterer Tunnel müsste für die Radfahrer her. In einer Machbarkeitsstudie rechnet Professor Dietrich Fornaschon aus Jork für die knapp vier Kilometer lange Strecke mit runden sieben Millionen Euro. Dazu gehören auch die zum Teil fertigen Querwege über Ottenbeck sowie aus der Barger Heide und Thun. Geplant wird in mehreren Abschnitten. An einigen Stellen muss die Harsefelder Straße Fläche an den zu engen Bürgersteig abgeben. Stadtbaurat Lars Kolk sieht in dem Ausbau Vorteile für den Gesamtradverkehr in Campe und Umgebung.

Die sieben Millionen sind Spitze für die Zweiräder, sofern der Rat abnickt. Um das Radeln attraktiver zu machen, müssten Jahr für Jahr Millionen investiert werden. Der Investitionsstau bei den Radwegen ist aufzulösen. Fertig sein müsste die Radstrecke nach Riensförde zum Schuljahresbeginn 2023. Oder doch nur halb fertig? Denn Beschlüsse des Rates liegen noch nicht vor. Geplant und gebaut werden soll in Abschnitten. Corona dürfte dem städtischen Haushalt Probleme machen – weniger Steuereinnahmen.

CDU-Fraktionsvorsitzende Kristina Kilian-Klinge weiß, dass in der Harsefelder Straße „was geschehen muss“. Barbara Zurek, Fraktionsvorsitzende der Grünen, drängt aufs Tempo. Eine Menge könnte schneller
gehen. Neben den großen Projekten müssten viele Kleinigkeiten verändert werden. Etwa die Radspur an der Einfahrt zum Stadeum farblich markieren und damit für Sicherheit sorgen. SPD-Fraktionsvorsitzender Kai Holm will zusammen mit den anderen Ratsfraktionen politische Initiativen entwickeln. Carsten Brokelmann, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft, hat die Wiki-Anfrage nicht beantwortet. Übrigens: Er profitiert als VfL-Präsident vom Bildungscampus. Mit der neuen Sporthalle lässt sich einiges für seinen Verein machen.

rad engAn vielen Stellen in Stade kommen sich Radfahrer und Fußgänger ins Gehege. Viele Wege sind zu schmal geraten, entsprechen nicht den Vorschriften. Foto: KappeltIn Stade sind zu wenig Leute mit dem Rad unterwegs. Die Zahl der Radler müsste sich verdoppeln auf zwanzig Prozent. Bürgermeister Sönke Hartlef und der erste Stadtrat Dirk Kraska antworten auf die Staus an den Hauptstraßen wie mit der Gebetsmühle: Die Autofahrer sollten mehr Rad oder Bus fahren. Eine Liebeserklärung sieht anders aus. Michael, ein engagierter Radfahrer, vermisst, dass die Stadt das Radfahren zu ihrem bevorzugten Thema macht und entsprechende Projekte fix umsetzt. Im Gespräch ist die erste Radstraße – die Neubourgstraße. Allerdings dürften Autos die Straße in langsamem Tempo benutzen. Der Hohenwedeler Weg ist eine Katastrophe: Hier treffen sich in der Enge alle: die Autos, der Wiepenkathen-Bus, die Radler und die Fußgänger etwa auf dem Weg zur Schule.

Die Grundsatzfrage ist: Wo bekommen Radler zulasten der Autos mehr Platz? Müssen im Zentrum Parkplätze zurückgebaut werden, ums Radfahren attraktiver zu machen? Diese Grundsatzdiskussion hat der Rat noch gar nicht geführt.